Werkbeschreibung
Biographisches
Jugend, Ausbildung und erstes Kunstschaffen in St. Gallen. In den letzten Jahren vor allem Bilder, Objekte und skulpturale Arbeiten (aus Karton, gehärtetem Papier und Zement, häufig in Verbindung mit Eisen und Bronze) sowie Installationen. Ateliers in St.Gallen und in Montepulciano (Toskana, Italien). Mitglied der Künstlervereinigungen visarte Schweiz und IAPMA (International Association of Hand Papermakers and Paper Artists). Zahlreiche Ausstellungen in der Schweiz, Belgien, Deutschland, Italien und Österreich. Gewinnerin von Kunstwettbewerben. Ihre Werke finden sich in öffentlichen und privaten Sammlungen.
Material und Technik
In der bildhauerischen Arbeit hat Liz Gehrer ihre ureigene künstlerische Ausdrucksform mit Altkarton, Eisen und Pergamentpapier gefunden. Bei der Formgebung ihrer Kunstobjekte spielt Kleister, der als Klebstoff und Härtemittel im Trocknungsprozess eine ungewöhnliche Eigendynamik entwickelt und auf die Plastiken überträgt, eine herausragende Rolle. Im Wind trocknende Papierbahnen erstarren in der Bewegung. Rostige Eisenspangen und -stäbe müssen sich der Kraft der sie umspannenden Pergamentstreifen beugen. Liz Gehrer reizt der materielle Gegensatz und die scheinbare Verkehrung physikalischer Gesetzmässigkeiten. Immer wieder gewährt die Künstlerin den Werkstoffen ihre Eigendynamik. Sie unterstützt und vollendet den Prozess in der sparsamen, expressiv-abstrakten Bemalung ihrer Objekte. Die Farbgebung orientiert sich an der Archaik des Arbeitsmaterials. Wenige Grundfarben wie Rot und Blau mischen sich unter die breite Palette der verwendeten Erdfarben, des Schwarz und des Weiss.
Die Bilder, meist in Mischtechnik und ebenfalls auf Karton, prägt Liz Gehrer häufig mit der Technik der Collage. Oft sind es übereinander applizierte, abgeschabte oder abgeschliffene Plakat- oder Zeitungsausschnitte, welche einen belebten oder auch verfremdeten Bildgrund ergeben. Charaktervolle Farben, aus Pigmenten und Eitempera gemischt, werden in die Bilder komponiert. Dem eher dunkeln, oft zerfliessenden Formgeflecht steht zuweilen ein heller Farbton entgegen, der anfangs kaum realisiert, dann aber vom Auge überrascht wahrgenommen wird. Ähnlich verhält es sich mit angedeuteten Menschengestalten, die sich im Bild verbergen, beim genauen Hinsehen aus ihrer Umgebung heraustreten, um beim nächsten Blickewechsel wieder zu verschwinden. Neue Bildrealitäten erzählen vom Ausserordentlichen des Gewöhnlichen, alltägliche und unspektakuläre Momente unseres Daseins werden in einen anderen Kontext gerückt.
Bei den Installationen erzeugt Liz Gehrer gerne mit Plastikmaterialien und Wasser Verfremdungseffekte, sowie, als deren Folge, Irritationen und Spannungsfelder, um den Betrachter zu den für sie wichtigen Fragestellungen zu führen, insbesondere zu den Beziehungen der Menschen unter sich, aber auch zum Verhältnis zwischen Mensch, Umwelt und Natur.
Bildsprache und künstlerisches Anliegen
Vorrangig im Altkarton, einem typischen Verpackungs- und Gebrauchsmaterial unserer Zeit, hat Liz Gehrer eine faszinierende Möglichkeit entdeckt, thematische Fragestellungen, Materialien und Verarbeitungstechnik in ungewöhnlicher Weise zu verknüpfen. Leben hinterlässt Spuren lautete seinerzeit der Untertitel ihres ersten Werkkatalogs, und noch immer benennen viele ihrer Kartonplastiken in ihren Titeln Aspekte des menschlichen Daseins. Aufgewühlt und Zwiespalt, Warten und Zerfall, Verbunden und Nähe - Skulpturen, die von einer tief empfundenen Existentialität sprechen. Mit ihren zerfurchten Oberflächen, den unvermittelt vorspringenden Metallverstrebungen, ihren Rissen und tiefen Eindrücken verwandeln sich die schmalen Figuren in Metaphern der Einsam- und Vergänglichkeit. Liz Gehrer stellt den Menschen nackt dar, ohne schützende Hülle, ohne unschuldigen Schein, sondern in der ganzen hilflosen Geworfenheit seines Seins. Den Kopf zu–, manchmal auch abgewandt, scheinen manche Menschengestalten inmitten einer Kommunikation in immanenter Gestik zu verharren, gleichsam als Standbild für den durch Informationsvermittlung und Manipulation verdrängten Dialog. Allgemein assoziert die vertikale Ausprägung, gar Überstreckung, der Figuren die zunehmende Individualisierung, Egozentrismus und Kommunikationsunfähigkeit in der gleichwohl lebensnotwendigen Gemeinschaft. Die Wahl wertloser Wegwerfprodukte als bildhauerische Werkstoffe führt den allgegenwärtigen materiellen Zerfallsprozess vor Augen. Die Karton- und Betonskulpturen sind zwar über den Tag hinaus angelegt, sie unterliegen aber, zumal wenn der Witterung ausgesetzt, einer gewissen Veränderung. Anfänglich ausschliesslich übergrosse, überschlanke menschliche Silhouetten, gesichts- und gliedmassenlos, die stumm und dennoch aufwühlend mit dem Betrachter in Kommunikation treten, hat Liz Gehrer sich in den letzten Jahren auch klein(er)en Formaten zugewandt, darunter den „Sitzenden“. Figürchen von nur ca. 30 cm Höhe sitzen in Gruppen auf hohen Sockeln, wobei der Sockel hier nicht nur Präsentationsfläche ist, sondern wichtiger Bestandteil der Skulptur. Liz Gehrer’s Inspirationsquelle für die „ Sitzenden“ war und ist das Beobachten der Landbewohner in Italien. Während der warmen Jahreszeit wird dort vor allem gesessen: nach der Arbeit vor dem Haus, Männer sitzen in Bars, Frauen und Kinder sitzen beim Brunnen, auf Bänken, auf Stufen, auf Mäuerchen. Man kann von der Haltung der Personen Status, Befindlichkeit, Harmonie oder Isolation ablesen. Das menschliche Miteinander, das immer schon Triebfeder des Gestaltungswillens von Liz Gehrer war – hier findet es in Haltung und Gestus seinen beredten Ausdruck.
Website von Liz Gehrer
www.lizgehrer.ch |