Werkbeschreibung
Karin Pliem zeigt uns eine Natur, die es von Natur aus nicht gibt: auf ihren Leinwänden treffen verschiedenartige Lebewesen aus unterschiedlichen Ökosystemen und Weltregionen zusammen, auf- und verblühende Gewächse aus Tropenwäldern und Alpentälern mit transgenen Pflanzen, mit Meeres- und Süßwassertieren oder auch mit im Malprozess neu geschaffenen Blüten-Hybriden. Alles floriert, fließt, morpht und expandiert in Karin Pliems Kunst-Biotopen, entfaltet sich zu intensivem Farb- und Formenreichtum, konkurriert und kommuniziert gegen- und miteinander simultan auf mehreren Raumschichten.
Diese Natur, die es von Natur aus nicht gibt, gibt es als Versinnbildlichung der „Sprache der Natur“ allerdings ebenso wie sie realiter in Verbindung mit menschlicher Zivilisation und Technik existiert: Kreuzungs- und Gentechniken lassen neue Arten, Hybride und Klone von Lebewesen entstehen, das globale Transportwesen befördert die Invasion biotischer Natur in neue Lebensräume, andere Arten sterben aus … . Wenn die Künstlerin in ihre Bildtitel gleichsam beiläufig Namen wie papavero (Mohn), pueraria montana (Kudzu) oder dionaea (Venusfliegenfalle) einbaut und diese Pflanzen mehr oder weniger verfremdet irgendwo im Bild auf- oder untertauchen lässt, fungieren sie stets auch als Codes für den zivilisatorischen Ge- oder Missbrauch von Natur.
In erster Linie aber artikuliert Karin Pliem in ihrer Malerei die Diversität des Lebendigen und den damit verbundenen Pluralismus an Erscheinungs- und Ausdrucksformen, hinter denen sie eine ihnen allen gemeine Syntax ortet: „Selbst die heterogensten Dinge der Welt haben einen gemeinsamen Nenner, einen ursächlichen Zusammenhang.“ Auf dieser, von der Künstlerin während ihren Erkundungen der Welt und der künstlerischen Arbeit gewonnenen Sicht ist auch der Titel ihrer jüngsten Werkserie begründet: Konvolutionen sind Zusammenkünfte von Dingen oder Phänomenen, die nicht unbedingt kategorisch zusammengehören, die aber durch Bündelung, Faltung oder ein Ineinanderverwinden in einen Zusammenhang gebracht werden.
So findet hier die „Sprache der Natur“ zu einer Neuformulierung durch eine „Sprache der Kunst“, der es nicht allein um die Natur geht, sondern stets auch ums Bild, um die Koinzidenz seiner Teile im Verhältnis zum Gesamten. Der Mensch, so er sich schon nicht als Teil der Natur zu begreifen mag, wird von der Künstlerin eingeladen, in ihre Konvolutionen mit all ihren Entfaltungsmöglichkeiten einzusteigen.
Lucas Gehrmann, 2014
Website von Karin Pliem
www.karinpliem.at |