Werkbeschreibung
Biographisches
1976 beginnt Gudrun Petzolds (*1950) künstlerischer Werdegang mit ersten intensiven Auseinandersetzungen und orientierenden Versuchen in verschiedenen Berliner Ateliers. Zeitgleich besucht die gebürtige Stuttgarterin Literaturseminare an der TU Berlin sowie verschiedene Weiterbildungskurse in Bildhauerei, Zeichnen und Keramikverarbeitung – unter anderem an der Europäischen Akademie für Bildende Kunst in Trier. 1993 siedelt sie nach Niedersachsen über, wo sie gemeinsam mit dem Maler W. Jo Brunner einen Getreidespeicher zum Atelierhaus umbaut.
Material und Technik
Gudrun Petzold entwickelt ihre fragilen Kleinplastiken und monumentalen Raumarbeiten je nach formaler und thematischer Zielsetzung aus unterschiedlichen Ton- und Schamottemischungen. Die Gestaltungsfähigkeit des Materials und seine jeweiligen Brenneigenschaften sind ausschlaggebend für die situative Wahl. Im Sinne einer materialgerechten Verarbeitung nutzt die Künstlerin vorzugsweise die natürliche Farbkraft des jungfräulichen oder recyclierten Tons. Deckende Glasuren und lasierend aufgetragene Engoben setzt sie je nach Bedarf ein, wenn es die Oberflächentextur und Farbfassung einer Plastik erfordert. Dann experimentiert sie mit den verschiedensten Glasurrezepturen bis der vorgestellte und inhaltlich passende Farbklang gefunden ist. Gudrun Petzolds Skulpturen und Objekte erwachsen überwiegend dem manuellen Hohlaufbau. Seltener - je nach künstlerischer Intention und Aufgabe - greift die Künstlerin bei der Produktion additiver Teile zum Guss- oder Drehverfahren.
Bildsprache und künstlerisches Anliegen
Weich geschlossene Rundungen und kubisch abgewinkelte Flächenfügungen, gebauchte Gefäßformen, gedrungene Volumina und hoch aufragende Stelenkörper charakterisieren die plastische Formensprache in den Werken Gudrun Petzolds. Rauhe Oberflächen, unkaschierte Nahtstellen und Brüche, abgeschliffene Schnittkanten und Kratzspuren zeugen von der unmittelbar körperlichen und dialogorientierten Auseinandersetzung der Künstlerin mit einem bildsamen Material, das sich seine naturgebundene Lebendigkeit sichtbar bewahrt. Von unten nach oben und von innen nach außen bearbeitet, entfalten die Formbewegungen aus Ton Visionen einer Einheit von Kunst und Leben.
Gudrun Petzold schöpft im künstlerischen Findungsprozess aus der erkenntnisreichen Sensation der Naturbetrachtung. Es ist die geophysische und vegetative Gestaltkraft von Pflanzen-, Gesteins- und Zellformationen, der sie in der organoiden Morphologie ihrer archaischen Objekte und Installationen zu neuem Ausdruck verhilft. Folgerichtig eignen ihren Werkgruppen assoziative Titel wie „Meteorite“, „Nature Morte und Puppen“, „Salzsee“, „Erosion“ und „Schneeschmelze“, „Winterblumen“ und „Kapseln“. In ihrer spröden Erhabenheit treten die zylindrischen Röhrenformen, die ellipsoiden Hohl- und hermetischen Rundkörper wie urzeitliche Meerestiere, Einzeller und Fruchtstände, wie Tentakeln, Zotten, Knospen und Kokons in Erscheinung. Ihre Tonwandungen wecken den Gedanken an die schützende Funktion einer Außenhaut, die den geheimnisvollen Kern eines verwundbaren organischen Systems umhüllt und sich den Widrigkeiten der Umwelt- und Witterungseinflüsse zu widersetzen vermag.
Gudrun Petzold baut ihre Plastiken wie die lebendige Natur wächst. Ihre Arbeit erfährt sie als Entdeckungsreise in eine Welt aus Vorsehung und Zufall, Werden und Vergehen. Aus der Tiefe des Bewusstseins tauchen die Erinnerungen auf, werden Bilder von verloren geglaubten Gestaltmustern angespült und durch der Künstlerin Hand in eine neue, raumgreifende Gegenwart überführt. Gudrun Petzolds Objektschöpfungen, seien sie als isolierte Einzelstücke, seien sie als Raumpopulationen oder Gruppenverbände erdacht, enthalten stets Momente des Vieldeutigen und Ahnungsvollen. Virtuos laviert jede dieser Arbeiten zwischen Assoziation und Illusion, Massivität und Zartheit, Stabilität und Zerbrechlichkeit, Schwere und Leichtigkeit, Ordnung und Dynamik, ohne sich je einem der beiden Pole endgültig zuordnen zu lassen. Großformatig und kleinteilig, gedrungen und gestreckt, hohl und geschlossen, organoid und linear-grafisch angelegt visualisieren sie den Gleichklang in der vielgestaltigen Einzigartigkeit von Natur- und Kunstwerk.
Website von Gudrun Petzold
www.brunner-petzold.de |